Sandy und Markus Bucher


Alles neu ?

Wieder eine Affäre?

Meine Gedanken rasen: Wie sage ich nur nein? Wie mache ich ihm das nur klar. Ich will hier weg. Ich hatte meinen Spaß, das hier will ich doch garnicht. 

 

Nein sagen – vielleicht habe ich das mit 6 Jahren verlernt, als mein Onkel mir erzählte, wie toll es ist, dass ich schon so reif bin für mein Alter und wir dieses kleine Geheimnis doch sicher für uns behalten können. Klar konnte ich das. Ich wollte ja auch nicht seine Gefühle verletzen… 

 

Doch zu diesem Zeitpunkt bin ich nicht mehr 6, ich bin bereits über 20 und sollte doch eigentlich wissen, was das Richtige ist. Ich bilde mir ein, es gehe gerade nur darum, meinem Gegenüber keinen Korb zu geben. Wie würde er sich sonst fühlen…

Und außerdem, was würde dieser Typ wohl über mich denken? Bin ich doch der sexy Vamp, der nach außen immer cool und stark wirkt. Ich bin bereit, alles dafür zu geben, um diese starke Person wirklich zu sein, wenigstens für dieses Wochenende, diesen Abend, diesen Moment.

Minuten später laufe ich zurück zum eigentlichen Geschehen des Abends. Meine Freundinnen  hatten mich schon gesucht, wie sie sagten, als ich aus dem Dunkel der Nacht wieder in die überfüllte Disco zurück komme. Ich richte meine Haare und versuche zu retten was noch zu retten ist. Ich muss schrecklich aussehen, zumindest fühle ich mich so. 

Weiter geht die Party, weg mit diesen fiesen Gedanken. 

2,5 bis 3 Promille Standgas – oft schon ab donnerstags, bis samstags – machen es möglich. Schnell der nächste Drink, bevor ich mein sicheres Happy-Level verlasse…

 

Mein Papa wohnt 700 Kilometer von mir entfernt, seit ich 5 Jahre alt bin. Die einzigen zwei männlichen Bezugspersonen, die ich in meinen jungen Jahren habe, rasten im Suff regelmäßig aus oder finden über Jahre zu viel Interesse an mir. 

Ein krankes und verzerrtes Männerbild schlich sich ein. Aber auch mich selbst definierte ich stark durch das was ich tat und an mir tun ließ. Innerlich schon früh zerrissen und kaputt, außen zu meinem Schutz immer härter. Und doch eigentlich immer nur auf der Suche nach bleibendem Frieden und Liebe. 

Um diese unendliche Spannung irgendwie auszuhalten, begann ich mich mit etwa 10 Jahren, regelmäßig zu Ritzen. Psychologen behaupten ja, das wäre ein stiller Hilfeschrei – der entdeckt werden soll – aber nein, ich wollte auf keinen Fall, dass jemand die sorgsam eingeritzten Wunden an meinen Unterarmen sieht, was natürlich nur teilweise erfolgreich war. 

 

Mit 15 Jahren erschien für mich dann ein Lichtblick am Himmel. Der Junge, den ich bereits über ein Jahr toll fand, interessierte sich tatsächlich auch für mich. Schnell wurden wir ein Paar und ich glaubte, ich wäre der glücklichste Mensch der Welt. Ein Jahr später verlobten wir uns und ich war kaum noch zuhause. Trotzdem holte uns meine Vergangenheit bald wieder ein. Albträume, Angst vor Nähe, Suizidgedanken waren bald wieder an der Tagesordnung. 

 

Niemals konnte er mich genug lieben, tat er doch sein Bestes. 

Doch er blieb! Das zeigte, wie groß seine Liebe tatsächlich war, was ich erst heute wirklich zu schätzen weiß!! 

 

Mit etwa 17 Jahren lernte ich meinen neuen besten Freund kennen: den Alkohol. Er machte mir Mut, ließ mich vergessen, er machte mich aber auch so unendlich ungezügelt. 

Meiner Wut ließ ich nicht selten freien Lauf. Provozierte oft so lange um nur irgendeinen Grund zum Zuschlagen zu finden. Endlich mal nicht das Opfer sein. Leidet mal ein anderer als ich. Ich fühle mich stark und überlegen. Für den kurzen Moment. 

 

Über Jahre Flirten, Filmrisse, Partys, Affären – Hauptsache abgelenkt von dem Schreien in mir. Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick. Hauptsache etwas fühlen, das sich für den Moment gut anfühlt. 

 

Ein paar Jahre später sprachen wir zuhause nun tatsächlich beide und ganz konkret von Scheidung. Ehe gescheitert? Unfassbar.

 

Einige Jahre zuvor waren wir schon mal an diesem Punkt. Ich war bereits zur Scheidungsberatung verabredet. Nach der Arbeit schnell nach Hause, Dokumente schnappen und wieder ins Auto zum vereinbarten Termin, in einer nahe gelegenen Stadt. 

Hektik, wenig Schlaf, Frühschwangerschaft mit unserem ersten Kind oder doch Gottes Fügung? Ich weiß nicht, was genau der Grund war, weshalb ich bei ca. 120 km/h auf der kurvigen Landstraße plötzlich nur noch schwarz sah und die Kontrolle über mein Auto verlor. Ich überschlug mich, das Auto war ein absoluter Totalschaden. Ich kam über Nacht ins Krankenhaus, hatte aber bis auf ein paar kleine Prellungen keinerlei Verletzungen und auch unser ungeborenes Baby lebte. Der Gesprächstermin war plötzlich hinfällig. Uns war klar, da steckt mehr dahinter. Wir kämpfen um unsere Ehe. 

Nur wie lange schafft man das aus eigener Kraft? 

 

Ich liege da, alleine auf der Couch. Das Bett teilen wir uns schon länger nicht mehr. Ich habe den absoluten Tiefpunkt meines Lebens erreicht.  Ich will einfach nur noch sterben. Ich hatte bis dahin nicht an die Möglichkeit eines übernatürlichen Eingreifens Gottes geglaubt, aber plötzlich wusste ich, wenn uns noch einer helfen kann, dann ist er es! 

Der Onkel meines Mannes liebte diesen Gott, den wir noch nicht kannten. Er wusste nichts von unseren Problemen, keiner wusste es so konkret. Aber wir baten ihn, zu uns zu kommen. Und er sprach durch Geschichten der Bibel in unser Leben. So unfassbar konkret, dass wir dachten, er weiss alles! Gleichzeitig wussten wir, dass Gott es war, der uns liebevoll zu sich ruft. 

Es schien mir, als würden mir plötzlich Scheuklappen von den Augen genommen werden. Der ganze Dreck und Ballast, die Verletzungen und der Hass der letzten Jahre, schienen von mir abzufallen. Ich wusste plötzlich, dass Jesus für mich gestorben war, damit ich ihm das alles abgeben kann. Damit ich innerlich völlig heil werden kann. Tränen der Befreiung flossen wie ein Bach. 

 

Von dem Tag an war alles anders. Nicht unbedingt alles war sofort gut, aber in meinem Herzen hat sich etwas getan. Gott hat es neu gemacht, es geheilt. Ich konnte um Vergebung bitten und selbst vergeben. 

Das erste Mal die Liebe meines Mannes annehmen. 

Ich wusste, mein Wert ist ein anderer als der, der mich in der Kindheit geprägt hatte. Ich war mehr als mein Körper. Ich musste mir Liebe nicht mehr verdienen. Gott liebt mich. Bedingungslos. 

Es sind wahre Wunder die wir in unserer Ehe mehr und mehr bis heute erleben. Eines nach dem anderen. 

Heute bin ich glücklich verheiratet. Wir sind weiter auf dem Weg. Jetzt gehen wir ihn täglich gemeinsam mit Gottes Hilfe. 

 

Nachtrag:

Gott erlebte ich das erste Mal, nicht wie man annehmen könnte, in einer Kirche, sondern bei mir zuhause, ganz persönlich und privat. 

Erst danach machte ich mich auf die Suche nach einer Kirche, die mir ermöglichen würde immer mehr von diesem Gott kennen zu lernen. 

Ich habe mein zweites Zuhause gefunden. 

Heute darf ich dort als Sängerin das Musikteam leiten.